Die Sache mit dem Essen – Teil 1

Ich glaube, ich habe ernährungstechnisch wirklich fast nichts ausgelassen in meinem Leben… warum die Sache mit dem Essen so schwierig ist bei mir, versuche ich jetzt mal in Worte zu fassen.


Bis ich mein Abi machte, war alles so einigermaßen im Lot… ich würde sagen, ich war immer schlank… nicht ultra dünn, wie einige Klassenkameradinnen, aber immer größen- und altersgerecht schlank.

Ich führe das nicht nur auf das wirklich immer frisch gekochte, ausgewogene Essen meiner Mutter zurück, sondern auch auf die viele Bewegung in dieser Zeit… denn unser Familienalltag bestand damals aus sehr viel Sport.

Meine Eltern waren extrem sportlich aus meiner heutigen Sicht.

Wir spielten Tennis, fuhren viel Rad, wanderten und fuhren Ski… mit den Hunden spazieren gehen kam täglich noch hinzu.

Jeder Urlaub war sportorientiert… Im Sommer kamen zum Schwimmen und Wandern auch immer noch die Räder auf dem Auto mit… im Herbst gab es sehr viel Wandern in Südtirol… den Winter verbrachten wir auf den Abfahrts- oder Langlaufbrettern, beim Rodeln oder Schlittschuh Laufen… und Schwimmen kam nach einem Tag auf den Skiern sowieso als Ausgleich hinterher.

Ich war zudem noch in diversen Sportvereinen, und der Schulsport kam ja auch noch oben drauf.

Nun waren meine Eltern aber nicht so Hobby-Sportler, sie waren schon recht ehrgeizig in ihren einzelnen Diziplinen… etwas, was mir eher fremd war.

Gewannen wir mit der Volleyballmannschaft, war es gut… aber es war für mich auch kein Drama, wenn wir verloren.

Hatte meine Mutter aber ein Tennisturnier, war das häufig richtig ernst, und auch mein Vater war ein echter Kämpfer… etwas, was sowohl an meiner Schwester als auch an mir recht spurlos vorüberging… nur Ski fahren, das war uns wichtig… darin waren wir richtig gut und hatten viel Spaß, da wollten auch wir immer besser werden… und da wir jedes Winterwochende im Sauerland auf der Piste verbrachten, und zudem noch Ostern in Italien, Schweiz und Österreich die Hänge runterwedelten… konnten wir eigentlich essen, was wir wollten, ohne zuzunehmen.

Das änderte sich für mich, als ich mein Abi hatte und nach einem Jahr Krankenhauspraktikum meine MTA-Ausbildung begann und ich eher mit meinen Mitschülerinnen in die Stadt etwas essen ging als auf das Abendessen zu Hause zu warten.

Ich nahm etwas zu, was mich schon damals störte… und so begann ich meine erste Diät… Brigitte !!! Gab es damals überhaupt etwas anderes ???

Als ich neben meiner Ausbildung mit dem Medizin-Studium begann und so zwischen zwei Städten hin und her pendelte und in der Mensa häufiger gegessen habe… wurde es nicht leichter… der Stress sorgte aber dafür, dass ich schlank blieb, aber unregelmäßig Essen wurde mein Alltag.

Ich denke, ich hatte so 58-59 kg, als ich meinem neuen Freund begegnete, der Extremsportler war… Marathon und Triathlon bestimmten seinen Alltag, und bald auch zumindest am Rande meinen.

Er achtete extrem auf seine Ernährung und forderte Gleiches auch von mir… gleichzeitig war ich mit ein paar Models befreundet, die mir einen Job auf einer Düsseldorfer Modenschau besorgt hatten.

Da hieß es dann, noch etwas abnehmen, um in die Klamotten zu passen.

Ich hatte dann irgendwann mein niedrigstes Erwachsenen-Gewicht, um die 55 Kg bei 1,68m, und fühlte mich sehr wohl.

Die Mädels waren dermaßen dizipliniert… da war ich schon sehr erstaunt, und irgendwie prägte mich diese Zeit.

In meiner nächsten Lebensphase geschah genau das Gegenteil… ich fing an, im Außendienst zu arbeiten… das bedeutete ständig auswärts Essen, sei es im Alltag, auf Tagungen und bei Events.

Zudem fing ich etwas an, Alkohol zu trinken, und dann wirklich irgendwann Milchkaffee… beides hatte ich lange gehasst… da einem aber in der Klinik ständig Kaffee angeboten wird, hatte ich mich an eine sehr gesüßte Variante mit Milch gewöhnt, um nicht immer ablehnen zu müssen.

Im Krankenhaus um Tee zu bitten war ungefähr so abstrus wie im Brauhaus eine Limonade zu bestellen… kleiner Kölscher Insider!!! (für nicht Kölner: sollte man sich gut überlegen oder zumindest schwanger sein) 😉

Dazu kam keine Bewegung… ich hörte schlagartig mit all meinen Sportarten auf und rannte auch nicht mehr über Klinikflure, sondern ging angemessen im Kostüm durch meinen Arbeitsalltag und fuhr wirklich nur noch Auto…!!!

Ich lernte, meinen ersten Mann kennen, und dann wurde es noch einmal völlig anders… er war kein Sportler, sondern ein absoluter Genussmensch… gutes, kalorienreiches Essen und Trinken war die Tagesordnung, und seine Figur interessierte ihn gar nicht.

So nahm ich langsam aber kontinuierlich zu… ganz extrem in der zweiten Hälfte meiner ersten Schwangerschaft… zu den aufgezählten Faktoren kam eine tiefe Traurigkeit hinzu, die falsche Entscheidung getroffen zu haben mit dieser Hals-über-Kopf-Ehe, und auch der Studienabbruch erschien mir auf einmal völlig absurd… ich freute mich sehr auf mein Kind, aber mein damaliges Umfeld war eine reine Katastrophe.

Mit 110 Kilo beendete ich diese Schwangerschaft und brauchte genau 1,5 Jahre, um wieder bei 63 Kilo anzukommen.

Ich entdeckte Pulver-Diäten, nahm Nahrungszusatzmittel, und jedes Buch über Ernährung war meins, bis ich die Weight Watchers für mich entdeckte, da kam dann ein wenig Ruhe rein… durch das Kinderwagen Schieben kam auch wieder etwas Bewegung dazu.

Ich denke, ab da war ich dann hochgradig essgestört… denn ein Auf und Ab bei meinem Gewicht und ein nicht mehr normales Hungerempfinden gehörten ab da zu meinem Alltag.

Da der Post sonst doch zu lang wird… höre ich jetzt hier mal auf und schreib die Tage weiter.

Ich möchte hier wirklich allen Mut machen, die vielleicht ähnliche Achterbahnfahrten wie ich durchlebten und vielleicht auch immer noch durchleben… es gibt einen Weg für jeden… davon bin ich überzeugt.

Herzensgrüße
Eure Rike

6 thoughts on “Die Sache mit dem Essen – Teil 1

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  2. Anonym

    Wandern ist nicht nur gut für die Physis, sondern auch toll für die Psyche. Die Natur lässt einen klare Gedanken fassen. Ich bin ebenfalls sehr gerne in Lana Südtirol zum Wandern.

  3. Petra Kaiser

    Liebe Rike,
    wir haben nicht nur am gleichen Tag Geburtstag, sondern scheinen auch in diesem Bereich Gemeinsamkeiten zu haben. Mit der ersten Pilleneinnahme begann mein Gewichtskampf…..

  4. tinchen

    Liebe Rike,

    ich bin auf deine Fortsetzung gespannt….meine Geschichte ist zwar eine andere aber mein Leben ist ebenfalls geprägt durch eine Esstörung…die extreme Phase liegt 22 Jahre zurück (da war ich 16/17) aber leider habe ich nie wieder eine normale Einstellung zum Essen entwickelt. LG tinchen

  5. Anonym

    Mit Brigitte fing es auch bei mir an, ging mit einer ausgeprägten Essstörung weiter, bis ich zwar dünn, aber wirklich auch krank war. Die Essstörunfg habe ich dann irgendwann temporär besiegt, in Stresszeiten meldet sie sich gerne noch einmal zurück und es ist nicht immer leicht, dem vermeintlichen Stresabbau durch übermäßige Nahrungsaufnahme mit dem Kopf den Garaus zu machen.
    Ich bin sehr gespannt, wie dein Weg weitergegangen ist und wie du zum gesunden Leben gefunden hast.
    LG Melanie

  6. Cindy Pietz

    Hallo…ein sehr interessanter Beitrag. Mein Gewicht schwankte in den letzten Jahren auch so extrem.Nach 2 Kindern habe ich nun 15 Kilo mehr als vor 20 Jahren…lebe aber nun damit und genieße weiterhin das Essen. Ich freue mich auch svhon auf unseren Winterurlaub in einem Hotel mit wunderschönen Ambiente und besonders tollen Essen. Lg cindy

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