Am Samstag fragte ich meine Familie, ob sie Lust habe, am Sonntag in Prag zu frühstücken… und da alle dafür waren und die Vignette noch gültig war… ging es am Sonntag früh um 7h30 auf die Reise!!!
Klappt natürlich auch deshalb so gut, weil schon zwei von vier Familienmitgliedern um kurz nach Fünf wach sind und die beiden anderen einfach nur das Ausschlafen unterbrechen und bei Conny- CDs im Auto fortsetzen… (Wach sind Philippe und ich… der Rest könnte auch gut noch etwas im Bett bleiben… lässt sich aber immer öfter von unserer guten Laune zur frühen Stunde mitreißen… Gott sei dank habe ich endlich einen Verbündeten in dieser Familie)
Da ich ja von Haus aus Berufsfahrerin bin… jahrelange Außendiensttätigkeit hinterlässt halt ihre Spuren… oder wie mein Mann es ausdrücken würde: eine „miserable“ Beifahrerin abgebe… fahre ich gerne und der Rest der Familie chillt bis zur Ankunft.
Diesmal hätte ich schon in der Stadt kein Navi mehr gebraucht… überhaupt ist Prag eine sehr klar aufgebaute Stadt, und der Weg von der Autobahn ins absolute Stadtzentrum beträgt gerade mal 10 min.
Einige hundert Meter vom Parkhaus an der Moldau entfernt fielen wir beim ersten Bäcker ein, um wunderbare gefüllte Teigtaschen mitzunehmen, die wir auf den Weg zum ersten Kaffee schon gegessen hatten… dann gab es erst mal Kaffee und frisch gepresste Säfte, und für den Mini als Highlight eine Cola… gemütlich fing so unser Tag an, und wir überlegten, welche Route wir weitergehen würden.
Wir sind ja nach zweimal Prag… also insgesamt ganzen 4 Tagen dort… praktisch schon Insider (kleiner Scherz), zumindest mein sprachbegabter Mann kann schon ein paar Worte Tschechisch, und ich mache es wie in Paris… Englisch passt immer… Stella rechnet schon fleißig die Kronen in Euros um und hat durch unsere Touren begriffen, dass man ohne Englisch schlecht als Reisender durch die Gegend kommt… manche Dinge begreift man am Besten mitten im Leben.
Am Altstädter Ring merkten wir, dass Prag heute ganz anders aussah… überall waren rote Zelthäuser und geschmückte Bäume aufgestellt… ein Fest wurde gefeiert mit allem, was man so bei einem Straßenfest kennt… sämtliche landestypischen Leckereien wurden angeboten und vielerlei mehr.
Jetzt aber zur Pariser Straße, die hatte ich ja schon bei meinem Geburtstagsausflug ins Herz geschlossen und wollte sie meiner Tochter zeigen… so eine Aneinanderreihung der großen Labels kennt sie nicht, da wir in Paris nicht auf die Champs-Élysées gehen, sondern mehr durch die kleinen Straßen im Marais laufen, wo sich kleinere Boutiquen und Lokale abwechseln…
Als erstes kommt man an den Schaufenstern von Cartier vorbei, und ich erklärte meiner Tochter, was Luxuslabels sind und dass diese weit über unserem Einkaufslevel liegen… bis mein Mann von hinten sagte… aber unser Ehering ist schon von Cartier… ok, er hatte natürlich recht, wir tragen den Trinity als Ehering…
Stella schaute uns an und ließ sich die Geschichte erzähle, wie ich damals auf den Gedanken kam, diesen Ring als Ehering auszusuchen… und wie ich mit Cartier in Paris verhandelt habe, die Ringe außen gravieren lassen zu dürfen, sie fanden die Idee dann so nett, dass Cartier selbst die Gravur machte und uns zur Hochzeit schenkte… also auf dem einen ist ja immer das Cartier-Logo, und bei uns nun auf dem nächsten der Name und auf dem dritten Ring unser Datum…
Bis zu diesem Gespräch hatte ich gar nicht das Gefühl gehabt, mich mit wahren Luxusgütern zu umgeben… ich hatte es gar nicht so empfunden, oder auch irgendwie vergessen.
Aber der Spaziergang ging weiter, und an jedem dieser traumhaft dekorieren Fenster blieben wir stehen, und Stella stellte ihre Fragen… Das Hermès-Fenster war atemberaubend mit einem grünen Puppenhaus dekoriert, wirklich sehr zauberhaft, und ich erzählte ihr von meiner absoluten Lieblingsuhr aus diesem Laden… die ich nicht besitze… aber schon lange wunderschön finde.
Und wieder meinte mein Mann, aber du hast doch diese wunderschönen Tücher von Hermès… und er hat recht… es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich tatsächlich Hermès-Tücher trug, und noch vor etwas über einem Jahr hatte ich mir zusammen mit unserem großen Sohn in Hamburg ein sehr modernes weiteres Tuch gekauft… Stella fragte nach den Farben meiner Tücher und meinte in ihrer oft sehr realistischen Art… sehr gut, dann brauche ich ja keine zu kaufen, das passt, die kann ich dann ja von dir nehmen.
OK… so hatte ich es noch nicht gesehen, aber gut, so bleiben sie im Familienbesitz.
Bei Chanel erzählte ich ihr von meinen schwarzen Wilderlederhandschuhen, die ich mir als 19jährige in Düsseldorf auf der Kö von meinem Ersparten gekauft hatte… keiner konnte das damals verstehen, aber ich war sehr modeinteressiert und wollte unbedingt ein Teil von Chanel besitzen.
Zu diesem Zeitpunkt sah mein Lebensentwurf auch deutlich kreativer aus… ich hatte sogar einen Studienplatz für Modedesign bekommen, aber da gab es einige andere Meinungen innerhalb meiner Familie, und so wurde es im Endeffekt ein Medizinstudienplatz… und mein Leben lief in eine deutlich andere Richtung…
ich trage diese wunderbar weichen schwarzen Handschuhe noch heute bei bestimmten Anlässen, also sage und schreibe nun schon seit 32 Jahren… auch das beeindruckte mein kleines Mädchen sehr, und sie fand es toll, dass es Dinge gibt, die man so lange tragen kann… ich muss jetzt nicht extra erwähnen, wie froh sie ist auch so Minihände wie ich zu haben.
Als ich weitergehen wollte, holte mich eine weitere Erinnerung ein… ich besitze sogar eine echte Chanel-Jacke… das war immer mein Traum gewesen und ein Must have im Kleiderschrank einer gut gekleideten Frau… und als ich mit Stella gerade schwanger war, habe ich mir meinen schon lang gehegten Traum damals erfüllt…
ich ahnte wohl, dass ich mit zwei Kindern meinen gutbezahlten Vollzeitjob nicht weiter so ausüben würde und sah es als letzte Chance, mir selber mit vierzig diesen Wunsch zu erfüllen…
Ich hatte eine super Argumentation damals für mich, warum ich natürlich so eine Jacke „brauchte“. Mir vielen spontan sämtliche Taufen und späteren Eheschließungen meiner noch nicht geborenen Kinder ein.
… also liebes großes Kind, würdest du bitte noch so lange mit irgendwelchen wichtigen Ereignissen warten, bis mir diese zarte 36er Maßanfertigung wieder passt… es wäre ein Jammer sie nicht zu tragen.
Ich fand diesen Spaziergang und unsere Gespräche so unglaublich, und wenn ich am Anfang auch das Gefühl hatte, in diesen Läden nie etwas zu kaufen… beendete ich ihn später mit dem Gefühl, eigentlich vom jeden dieser Labels etwas zu besitzen… wenn auch viele dieser Dinge schon sehr alt sind und nicht häufig in Gebrauch… so sind sie trotzdem da, und jedes ist mit einer Erinnerung verbunden und ganz unterschiedlichen Orten, an denen ich sie gekauft hatte… wie z.B. mein Gucci-Tuch bei meinem ersten Mailandbesuch als Berufsanfängerin… oder meine Prada-Stilettos, mit denen ich so manche Party im Raum München gefeiert habe.
Durch dieses Erlebnis ist mir eins klar geworden… vielleicht sollte ich doch wieder mehr so wundervolle Erinnerungen mit meinen Sachen verbinden, wie z.B. jetzt Weihnachten mit meinem Monogrammtuch von Louis Vuitton aus Paris… und dieses schnelle und eher preiswerte Kaufen nach dem Jahr ohne Shopping komplett aufgeben… und wäre dann als Belohnung für das Jahr nicht so etwas wie meine Traumuhr von Hermès ein tolles Ziel… ich werde weiter darüber sinnieren…
Meine Tochter hat auf jeden Fall einige neue Erkenntnisse aus diesem Gespräch mitgenommen, da bin ich mir ganz sicher… und plötzlich freute ich mich auf all die schönen Dinge, die mir auf einmal wieder einfielen… verbunden mit ihren Erinnerungen… und wie schön es doch ist, sich mit klassischen Sachen zu umgeben… die dann irgendwann (über den genauen Zeitraum müssen wir dann allerdings noch verhandeln) an die nächste Generation weitergegeben werden können… dann wird meine heißgeliebte und täglich benutze Neverfull von Louis Vuitton wahrscheinlich eine mit Patina behaftete Vintagetasche sein, und genau das wird ihren Reiz ausmachen… kann sie mir schon bildlich an meiner Tochter vorstellen.
In dieser doch so unglaublich schnelllebigen Zeit wäre es schön, ein paar mit Erinnerungen verbundene Dinge über Jahre wertzuschätzen und stolz darauf zu sein, dass sie eben nicht aus dieser Saison sind.
Herzensgrüße
Rike