Als ich erfuhr, dass mein zweites Kind eine Tochter war, fuhren meine Gefühle Achterbahn… unser Sohn war bei ihrer Geburt bereits 12, und er war ein sehr liebes und zufriedenes Kind.
Ich selber hatte ein sehr schwieriges Tochter-Mutter-Verhältnis… es war durch Eifersucht geprägt, und immer wieder erzählte meine Mutter meiner Schwester und mir, wie traurig sie sei, dass sie zwei Töchter hätte, Söhne seien doch viel mehr wert und würden sich viel besser um sie als Mutter kümmern.
Dabei haben wir uns immer sehr um unsere Mutter gekümmert… tägliche Telefonate und ständig unser Leben nach ihren Plänen ausrichten, auch als wir schon eigene Familie mit Kindern hatten, waren für uns völlig normal… wir hatten nie etwas anderes gekannt.
Mein Vater konnte oder wollte an dieser Tatsache nichts ändern, und erst bei meinem Abschied an seinem Totenbett sagte er mir zum ersten Mal in seinem Leben… dass er mich liebte… und bemerkte, wenn es ein weiteres Leben gäbe, dann würde er gerne als mein Sohn geboren werden, denn er fände… ich sei eine wundervolle Mutter.
Das waren die ersten positiven Äußerungen zu meinem Leben, leider hatte ich bis dahin 42 Jahre nur Negatives zu hören bekommen, lediglich mein Medizinstudium und meine berufliche Karriere waren von ihm mal positiv bemerkt worden, weil er damit der Außenwelt zeigen konnte, wie erfolgreich seine Tochter war… was er natürlich als seinen Verdienst ansah.
Was mich und meinen Sohn all diese „Karriere“ gekostet hatte, und das sie nur der Loslösung von meinem ersten Mann diente und danach auch einfach für mein Überleben allein mit Kind notwendig war, blieb dabei völlig unbemerkt.
Mit dieser Tochter-Mutter-Erfahrung waren meine Gefühle sehr gemischt, nun selbst eine Tochter zu bekommen.
Einerseits freute ich mich sehr, nun nach unserem Sohn auch eine Tochter zu bekommen und nicht mehr das einzige weibliche Wesen im Haushalt zu sein… selbst unser Hund war männlich… andererseits hatte ich einen Heidenrespekt vor dieser Aufgabe, ein Mädchen zu erziehen und es hoffentlich besser zu machen.
Erst einmal kürzte Stella die Schwangerschaft vorzeitig ab und war wie ein Paukenschlag in unserem Leben… und von diesem Anfang an auch sehr präsent.
Schlaf und Ruhe waren in ihrem Tagesablauf einfach nicht vorgesehen… da gab es nur Stillen und Getragen werden und ständige Aufmerksamkeit.
Mein Mann erzählt ihr heute noch von seinen ungezählten Runden nachts um unseren Esstisch… wenn sie wiedermal nicht schlief… das Ganze ging dreieinhalb Jahre so weiter… bis sie endlich eine Nacht durchschlief.
Ihr kleiner Bruder setze dieses Schlafverhalten dann später leider ebenso fort, wir haben nie herausgefunden, warum die beiden solche Schlafschwierigkeiten hatten.
Aber auch vom Wesen her war unsere Tochter ganz anders als ihr großer Bruder… sie konnte nie alleine spielen und war sehr willensstark.
Max war ein unglaublich geduldiger großer Bruder und hat sich sehr viel Zeit für seine Schwester genommen.
Die Kindergartenzeit wurde dann etwas einfacher mit Stella, aber ihre Willensstärke war bemerkenswert… da saßen wir auch schon mal Stunden vor der Haustür, weil sie sich weigerte die letzten drei Schritte zu gehen und das lautstark kundtat.
Mit fünf Jahren hatten wir dann alles soweit bewältigt, und mit Beginn ihrer Schulzeit wurde sie immer ausgeglichener, und wir hatten eine sehr harmonische Zeit, bis zu einer kurzen, aber sehr gewaltigen pubertären Vorphase mit 12.
Meine größte Sorge, sie nicht genauso lieben zu können wie ihren großen Bruder, hatte sich von Anfang an nicht bestätigt, und auch als unsere Nummer drei kam… bemerkte ich, dass man als Mutter mehrere Kinder ebenbürtig lieben kann… wahrscheinlich braucht man hierfür einfach die Erfahrung als mehrfache Mama.
Ich hatte nie wie meine Mutter das Gefühl der Eifersucht meiner Tochter gegenüber, sondern bin unglaublich stolz und glücklich, wie sie ihr Leben trotz all unserer Umzüge meistert, und das war für sie sicher am schwierigsten.
Max hatte auch einige Schulwechsel, und Philippe Kindergartenwechsel, aber bei Stella waren es die meisten Veränderungen in ihrer Schulzeit.
Ich habe ihr aber von Anfang erklärt, warum wir umziehen, und bezog sie schon sehr früh in viele Entscheidungen mit ein.
Sie hat dann auch schon früh angefangen, ihre „liebsten“ Kontakte auch über eine große Entfernung zu halten, das klappt natürlich nicht immer… aber wurde mit der Zeit immer einfacher… da sie jetzt schon alleine mit dem Zug nach Bayern fährt und ihre Freundin nach Köln.
Ihre Bindung zu mir ist natürlich auch deshalb sehr eng, weil ich ihre beständigste Bezugsperson bin, mein Mann ja durch seine Arbeit mehr von zu Hause weg war.
Wir haben schon immer viel zusammen unternommen… und auch ohne ihre Brüder nehmen wir uns oft eine Auszeit… aber wenn sie eine Verabredung oder Party hat, hat das für mich immer Vorrang… der Umgang mit Gleichaltrigen ist für mich sehr wichtig für ihre Entwicklung.
Wir führen häufig sehr „erwachsene“ Gespräche, und ich beziehe sie in meine Arbeit ein, wenn es möglich ist.
Da es mein Lebenstraum ist , alle meine Kinder mit in mein „kleines Unternehmen“ zu integrieren… versuche ich alle drei schon jetzt je nach Alter und Veranlagung mit einzubeziehen.
Sie kennt meinen Werdegang ganz genau und weiß, wie wichtig ein guter Beruf für sie als Frau ist, um ihre Selbstständigkeit zu bewahren.
Als sie sich vor einiger Zeit immer mehr für medizinische Themen interessierte, erzählte ich ihr viel über mein „früheres“ Leben und erklärte ihr auch sehr genau, wie wichtig ihre Noten sind, um später überhaupt studieren zu können.
Ich sehe meine Aufgabe als Mutter nicht darin, hinter ihren Noten herzulaufen, aber mit 12 – jetzt 13 – soll ihr klar sein, wenn sie jetzt nicht diese Noten erreicht, wird es fast unmöglich, es später in der Oberstufe zu schaffen.
Und ob sie nun wirklich mal Medizin studiert oder die momentan zweite Option, Schauspiel zu studieren, wählt… und was auch immer ihr bis dahin liegt… ein gutes Abitur ist bestimmt nicht hinderlich.
Ich versuche alle meine Kinder sehr lebensnah zu erziehen und „arbeite“ fast nie mit irgendwelchen Verboten oder Regeln, sondern erkläre, warum ich gewisse Verhaltensweisen wichtig finde.
Mein Mann denkt genauso, und wenn eins unserer Kinder eine Idee oder einen Wunsch hat, besprechen wir gemeinsam, wie wir diese Idee realisieren können… und sehr häufig gelingt es dann auch sie umzusetzen.
Gegenseitiges Vertrauen und Respekt dem Anderen gegenüber sind die Grundlagen unseres Erziehungsstils.
Dazu gehört für mich auch der frühe Umgang mit Geld… so bekommt auch Stella, wie schon ihr großer Bruder vor ihr, seit Anfang des Jahres ein „Kleidergeld“ von uns, über das sie frei verfügen kann.
Bisher klappt es sehr gut, und sie ist immer erstaunt, was bestimmte Sachen kosten… Dinge, über die sie vorher nicht nachgedacht hat.
Erwachsen werden bedeutet für mich… die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, und das kann man wohl nie besser lernen… als im geschützten Rahmen der Familie.
Herzensgrüße
Eure Rike
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